Kamerakram
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Kalkfabrik Pinocchio

Der Weg zur Pinocchio-Fabrik war alles andere als einfach und genau das macht den Besuch dieses Orts so unvergesslich. Schon der Zugang war abenteuerlich: Um überhaupt auf das Gelände zu kommen, musste ich durch einen knöcheltiefen Güllesee waten, der sich in einem überwucherten Bereich unterhalb der Anlage gesammelt hatte. Die alte Zufahrt war komplett zugewachsen, und der Boden rund um die verfallenen Betonträger war durchsetzt mit Wasser, Pflanzen und einem leichten Gestank nach Verfall und Chemie.


Sobald ich mich durch das Gestrüpp und die Feuchtigkeit gekämpft hatte, erhob sich die Anlage wie ein Relikt aus einer anderen Zeit vor mir. Der riesige Schornstein aus rotem Backstein ragte wie ein stummer Zeigefinger in den Himmel. Eine Art Landmarke, die selbst aus der Ferne Respekt einflößt. Direkt daneben: Der große graue Trommelofen, mittlerweile von Rost und Pflanzen überwuchert. Es war faszinierend, wie sich Natur und Industrie hier ineinander verschlungen hatten. Selbst zwischen den Zahnrädern und Antrieben hatten sich Blätter und Ranken ihren Platz erobert.


Im Inneren der Hallen herrschte eine fast sakrale Atmosphäre. Zwischen den meterhohen Metallstrukturen drang nur spärlich Licht durch die zerstörten Wellblechverkleidungen. Die langen Gänge, manche mit Laufstegen aus Gitterblech, wirkten wie aus einer dystopischen Filmkulisse. Überall lagen Reste von Isolierung, bröckelnder Beton, abgerissene Kabel. Die Stille wurde nur vom Tropfen des Wassers durchbrochen, das irgendwo von der Decke sickerte.


Besonders beeindruckend war ein alter, staubbedeckter Steuerpult in einer Ecke der Anlage. Die meisten Knöpfe und Anzeigen waren entweder verschwunden oder so verrostet, dass man die Beschriftung kaum noch lesen konnte – als hätte hier jemand einfach das Licht ausgemacht und sei nie wieder zurückgekehrt.



The history

Auch ohne Infotafel oder Archiv kann man mit etwas technischem Wissen nachvollziehen, was hier einst geschah. Die Kalkfabrik diente zur Herstellung von Branntkalk durch das Brennen von Kalkstein. Der Prozess beginnt mit der Zufuhr des Rohmaterials: Kalkstein wurde über ein Fördersystem nach oben in das Vorratssilo transportiert.


Von dort gelangte der Stein in die imposanten Drehrohröfen. Diese riesigen, schräg liegenden Metallröhren wurden beheizt, meist mit Koks, Gas oder Öl. Der Kalkstein wurde durch die Drehung langsam durch den Ofen bewegt und dabei auf etwa 1000 Grad Celsius erhitzt. Dabei zersetzt sich das im Gestein enthaltene Calciumcarbonat zu Calciumoxid (Branntkalk) und Kohlendioxid.


Am Ende des Ofens fiel der heiße Branntkalk in Kühlschächte oder Lagerbunker und wurde weiterverarbeitet oder verladen. Der markante Schornstein sorgte dafür, dass die bei der Verbrennung entstandenen Gase abgeleitet wurden. Steuerpulte und Rohrsysteme im Inneren der Anlage zeugen heute noch von der komplexen Regeltechnik, die nötig war, um Temperatur und Durchsatz zu steuern.


Auch wenn zur Geschichte der Anlage kaum etwas bekannt ist, bietet die verlassene Kalkfabrik Pinocchio ein eindrucksvolles Zeugnis vergangener Industrieära. Die Mischung aus massiver Technik, rostendem Stahl, wuchernder Natur und der einzigartigen Architektur macht diesen Ort zu einem ganz besonderen Ziel für Fotografen und Entdecker. Wer einmal durch diese Hallen geschritten ist, vergisst den Ort so schnell nicht mehr.



Short facts

Category:  


Industrial

Condition:  


Poor condition

Monitoring:  


Unknown

Vandalism:  


Minor Vandalism

Risk level:  


Medium



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