Kamerakram
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Kinderferienlager der BUNA-Werke

Es ist ein sonniger Herbsttag, als ich mich auf den Weg in den Harz mache. Die Blätter färben sich langsam gelb und rot, die Natur zeigt sich in ihrer vollen Pracht. Ein seltsamer Kontrast zu dem, was mich erwartet. Mein Ziel ist das ehemalige Kinderferienlager der BUNA-Werke, einst ein lebendiger Ort voller Lachen und Abenteuer, heute wohl nur noch eine stille Ruine.


Schon der erste Blick auf das Gelände ist beeindruckend – und bedrückend zugleich. Ich habe mich eine gefühlte Ewigkeit durch ein Waldstück geschlagen. Die Natur hat sich längst Teile der Gebäude zurückerobert. Gras und Sträucher sprießen aus den Rissen im Asphalt, die Fenster der einstigen Unterkünfte sind zerborsten, und der Wind raschelt durch zerrissene Gardinen, die wie Geister aus den kaputten Fenstern hängen.


Vorsichtig bahne ich mir meinen Weg durch das Gelände. An einer Wand entdecke ich noch Reste von verblassten Wandmalereien – vielleicht von den Kindern gestaltet, die hier einst ihre Sommer verbrachten. Ich stelle mir vor, wie sie morgens aus ihren Schlafsälen stolperten, voller Vorfreude auf einen neuen Tag voller Spiele und Abenteuer in der Natur. Wie sie in der großen Kantine zum Essen strömten, später vielleicht eine Nachtwanderung durch den Wald machten oder am Lagerfeuer sangen.


Doch jetzt ist alles still. In der Sporthalle liegt Schutt auf dem Boden, die Decke ist teilweise eingestürzt. Unter meinen Füßen knirscht Glas, als ich einen verlassenen Aufenthaltsraum betrete. Eine alte Tafel lehnt an der Wand, darauf mit Kreide die letzten Worte, die hier jemals geschrieben wurden. Der Raum riecht nach feuchtem Holz und Verfall.


Dann entdecke ich eine alte Schautafel mit empfohlenen Wanderwegen. Plötzlich wird mir bewusst, dass dieser Ort nicht nur aus Trümmern besteht – er erzählt eine Geschichte. Die Geschichte von unbeschwerten Kindheitstagen, vom gemeinsamen Erkunden der Natur und von Erinnerungen, die für viele ehemalige Besucher unvergessen bleiben.


Als ich mich auf den Rückweg mache, werfe ich einen letzten Blick auf das Gelände. Die Sonne wirft lange Schatten über die verfallenen Gebäude, und ich frage mich, wie lange dieser Ort noch bestehen wird, bevor er endgültig von der Natur verschluckt wird.



The history

Das Ferienlager der BUNA-Werke wurde in den 1960er Jahren erbaut und diente als Erholungsstätte für die Kinder der Werksangehörigen des Chemiekombinats in Schkopau. Es war Teil eines sozialistischen Programms zur Förderung der Jugend und zur Entlastung der Eltern in den Sommerferien. Unter der Schirmherrschaft des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) wurden in der gesamten DDR solche Ferienlager errichtet, um die Erziehung zur Kollektivität und zur sozialistischen Ideologie zu unterstützen.


Das Lager in Friedrichsbrunn, idyllisch am Rand des Harzes gelegen, war besonders beliebt. Hier konnten Kinder fernab der industriellen Großstädte ihre Sommerferien verbringen und die Natur genießen. Es gab gut ausgebaute Unterkünfte, eine Kantine, Sportplätze und zahlreiche Freizeitangebote wie Wanderausflüge, Bastelstunden und Gruppenspiele.


Während der Sommermonate herrschte hier reges Treiben: Organisierte Wanderungen führten die Kinder durch den Harz, sie schwammen in nahegelegenen Seen und führten kulturelle Veranstaltungen wie Theaterstücke und Liederabende auf. Besonders beliebt war die sogenannte "Nachtwanderung", die für viele Kinder eines der spannendsten Erlebnisse des Aufenthalts darstellte.


Nach der Wende 1989/90 verlor das Lager seine Funktion. Die Privatisierung der BUNA-Werke und die wirtschaftlichen Umstrukturierungen in Ostdeutschland führten dazu, dass viele betriebliche Ferienlager nicht weitergeführt wurden. Ohne staatliche Unterstützung und durch den Wegfall der Betriebszugehörigkeit der Eltern wurden die meisten dieser Lager geschlossen. Das Gelände in Friedrichsbrunn wurde aufgegeben und dem Verfall überlassen.


Heute ist das ehemalige Ferienlager ein Lost Place, der langsam von der Natur zurückerobert wird. Verlassene Schlafräume, verwitterte Fassaden und überwucherte Wege zeugen von der einst lebendigen Ferienidylle. Zerbrochene Fensterscheiben, zurückgelassene Möbel und verfallene Sportanlagen lassen die Vergangenheit erahnen und bieten einen faszinierenden Einblick in die frühere sozialistische Jugendkultur.


Besonders eindrucksvoll sind die verbliebenen Schautafeln und Wandkarten, die noch heute Wanderwege und Tagesabläufe des ehemaligen Ferienlagers zeigen. Sie sind stumme Zeugen einer Zeit, in der Sommerferien für viele DDR-Kinder untrennbar mit solchen Lagern verbunden waren.


Das Kinderferienlager der BUNA-Werke ist ein Symbol für die vergangene sozialistische Erziehungspolitik und zugleich ein eindrucksvolles Beispiel für den Wandel der Zeit. Während es einst ein Ort voller Kinderlachen und Abenteuer war, ist es heute eine stille, verfallene Erinnerung an eine untergegangene Ära.


Trotz seines desolaten Zustands zieht der Ort weiterhin Besucher an – sei es aus Neugier, wegen der Nostalgie oder als Fotomotiv für Liebhaber von Lost Places. Es bleibt abzuwarten, ob das Gelände in Zukunft eine neue Nutzung erfährt oder weiterhin als Mahnmal des Verfalls bestehen bleibt.


Short facts

Category:  


Children's homes & Nurseries

Construction year:  


1960

Lost since:  


1990

Condition:  


Poor condition

Monitoring:  


Unknown

Vandalism:  


Significant Vandalism

Risk level:  


Medium



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