Kamerakram
Kamerakram

Das verlassene Berghotel

Es ist noch dunkel draußen, als mich mein Wecker unsanft aus meinen Träumen reißt. Schlaftrunken versuche ich mit halbgeöffnetes Augen den penetranten Ton auszuschalten. Nach einem heißen Kaffee und einer kalten Dusche sieht die Welt gleich ganz anders aus. Umgekehrt funktioniert diese Kombination nicht einmal halb so gut. Ich trete vor die Tür. Die frische Morgenluft allein ist es Wert, so früh aufzustehen.


Nach etwas mehr als 300 Kilometern auf Autobahnen und Landstraßen erreiche ich mein Ziel zur gewünschten Uhrzeit und komme direkt vor dem verlassenen Berghotel zu stehen. Schon nach dem ersten Blick ist klar, wie schön es hier einmal gewesen sein muss. Es ist immer noch sehr früh und so hört man hier nichts weiter, als ein paar Vögel. Nur selten zischen ein paar andere Frühaufsteher mit ihren Autos an mir vorbei.


Nach einer kurzen Kaffeepause soll es nun aber endlich auf Entdeckungstour gehen. Da das Gebäude von außen bereits so aussieht, als würde nur wenig von dem eh schon spärlichen Sonnenlicht hereinfallen, habe ich meine Kamera bereits auf ein Stativ montiert. An der Außenwand des verlassenen Berghotel führt eine schmale Treppe auf die ehemalige Terrasse. Hier müssen die Gäste vor vielen Jahren einen wunderschönen Ausblick auf die Weser haben werfen können, während sie das ein oder andere Stück Kuchen verzehrten. Heute wachsen hier Bäume und Büsche und der Fliesenspiegel ist aufgeplatzt.


Bevor ich diese Treppe hochsteige wartet ein erster kleiner Raum auf mich. In diesem findet man die Überreste eines kleinen Tresens und jede Menge Gerümpel. Direkt im Eingang steht eine alte Jukebox, die schon ein mal bessere Tage gesehen hat. Direkt daneben finde ich eine Ausgabe der Hannoverschen Allgemeinen vom 05. März 1990. Diese und andere Überbleibsel deuten daraufhin, dass das Hotel irgendwann in den 1990er Jahren verlassen worden sein muss. Warum das so ist, weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Weiter hinten in diesem Raum wird es immer voller und die Luft dafür immer dünner. Es riecht modrig, alt und muffig. Mit jedem Atemzug scheint sich ein Pelz über die Zunge zu legen.


Hier hinten finde ich allerhand mit Früchten und Gemüse gefüllte Einweckgläser. Der Inhalt dürfte mittlerweile ungenießbar sein. Ausprobieren möchte ich das aber lieber nicht. Neben den Gläsern wurde hier auch noch einiges Inventar abgestellt. Bänke, Stühle und Tische finden sich hier. Teilweise sehen die Möbelstücke auch noch recht gut aus. Ich habe hier genug gesehen und sehne mich nach frischer Luft.


Weiter geht es die kleine Treppe entlang des alten Berghotels hinauf. Oben angekommen halte ich kurz inne und schaue mich um. Noch immer ist es hier sehr ruhig und idyllisch. Noch heute ist das ehemalige Hotel ein wahnsinnig schöner Ort, der nur leider irgendwann in Vergessenheit geraten ist.

Der erste Raum, der nun vor mir liegt ist schwer zu erfassen. Es ist nicht ganz klar, was das hier einmal gewesen sein mag. An einigen Stellen könnte man vermuten, dass es sich um eine Art Lobby handelt, die sich nach dem Empfang über zwei größere Zimmer erstreckt. Auf dem Boden liegt ein alter Kinderwagen, in den Ecken stehen noch ein paar Möbel herum. So einen verlassenen Ort findet man nicht all zu häufig. Vieles lässt einen in Gedanken in eine längst vergangene Zeit eintauchen.


Die Holztreppe zum Obergeschoss hindert mich an weiteren Erkundungen im oberen Teil des alten Hotels. Die Stufen sind durchgetreten und die Decke am Übergang zur Treppe zum Teil heruntergekommen. Ich gehe immer lieber auf Nummer sicher und riskiere an solchen Orten nichts, was ich nicht komplett absehen kann.


Durch die alte Küche, die immer noch mit großen Edelstahlmöbel ausgestattet ist, führt mich mein Weg in den wohl früher sehr prunkvollen Speisesaal. Ein leichter Wind weht durch die eingeschmissenen Fensterscheiben. Viel Licht fällt hier nicht hinein. Der Saal ist noch bestuhlt, nur einige Bänke sind zerstört, oder durch Regenwasser auseinander gefallen. Ich mache einen weiteren Schritt nach vorne und schrecke zurück. Der Boden, der eben noch sehr solide wirkte, gibt auf einmal unter mir nach. Jetzt verstehe ich auch, warum vor mir ein kleiner Steg aus Holzresten auf dem Fußboden verteilt wurde. Ich muss mich vorsichtig über diese schmalen Holzbretter weiter durch den Saal bewegen.


In einer Ecke dieses Saals steht ein altes Klavier. Ein absolutes Highlight. Das andauernde Gegenlicht macht es aber nicht gerade einfach, dieses tolle Motiv einzufangen. Ich nehme mir die Zeit, die ich brauche, auch wenn ich bei jedem Geräusch ein bisschen zusammenzucke. Hinter dem Klavier endet der alte Speisesaal und eine Tür führt zurück auf die Terrasse. Ich folge diesem Weg zurück ins Freie.


Es ist Zeit einmal durchzuatmen und den Ort für einen kurzen Moment zu genießen.


Auf dem Weg zurück zum Auto fällt mir auf, dass von hier aus noch ein kleiner Weg hinter das Gebäude führt. Ob es dort wohl noch etwas spannendes zu entdecken gibt?


L'historique

Das verlassene Berghotel hat eine lange Vergangenheit, über die sich nur schwer Details herausfinden lassen. Es existieren Postkarten aus dem Jahr 1937, die sich für viel Geld bei eBay ersteigern lassen. Die Bilder zeigen ein wunderschönes Fachwerkgebäude mit einem weiten Blick über das Tal und die dort hindurchfließende Weser.


Anfang der 1950er Jahre wurde der Gebäudekomplex modernisiert und erweitert. Ebenfalls bekam es einen neuen Namen und wurde ein Ort für große Feste und die feine Gesellschaft der umliegenden Dörfer und Städte. In den darauffolgenden Jahren wurde man im alten Berghotel sogar von Angestellten im Smoking bedient. Als Kontrastprogramm gab es dazu Karnevalsveranstaltungen für Erwachsene und Kinder. Bei der Lage und dem Ausblick ist es auch kein Wunder, dass das Geschäft gut lief.


Ein Highlight für Groß und Klein soll die Rutsche gewesen sein, die die vom Obergeschoss direkt in die Kneipe, das sogenannte Zwischendeck führte. Sich mit Hilfe einer Rutsche durch ein Gebäude zu bewegen, dürfte nicht nur den jungen Gästen gefallen haben.


Ungefähr 15 Jahre nach der letzten Modernisierung wurde das Berghotel nochmals erweitert. Es wurden Gästezimmer angebaut, von denen man über das Wesertal blicken konnte. Weitere sehr gute Jahre folgen. Ganze Busse sollen mit Menschen herangefahren sein, die sich auf die Aussicht bei einem Stück Kuchen freuten.


Diese beiden Bilder stammen von Postkarten, die ich bei eBay ersteigern konnte. Die Schwarz Weiß Aufnahme zeigt das Gebäude vor der Modernisierung. Auf der Farbaufnahme sind die neuen Gästezimmer mit der tollen Aussicht sehr gut zu erkennen. Es kann einen nur traurig stimmen, wenn man diese historischen Aufnahmen mit meinen vergleicht.


Faits saillants

Catégorie:  


Hôtels & Restaurants

Année de construction:  


1930

Abandonné depuis:  


1994

Niveau de difficulté:  


Moyen



Commentaires

 (0)

    Découvrez d'autres lieux abandonnés