Bahnbetriebswerk Gelsenkirchen-Bismarck
Am Bahnbetriebswerk angekommen laufe ich über einen großen Vorhof und entdecke einen kleinen Lieferwagen direkt vor dem Eingangstor des ehemaligen Bahnbetriebswerks. Links davon sind kleine Schrebergärten und aus einiger Entfernung hört man jemanden mit Metall arbeiten. Da ich vorher schon gehört hatte, dass hier mittlerweile ein Verein eingezogen sei, bin ich vorsichtig optimistisch, dass hier heute ein Besuch möglich sein könnte.
An der Tür steht, man solle einfach drei Mal klingeln und dann etwas Geduld beweisen. Da das Tor aber ein wenig geöffnet ist, strecke ich meinen Kopf hindurch, schaue mich kurz um und rufe laut: “Hallo? Ist da jemand?”. Kurz darauf erscheint ein älterer Herr, der mich direkt wieder vor die Tür drängt. Er weist auf das Schild mit den Anweisungen zum Klingeln und sagt, dass es schon seinen Grund hätte, warum das dort geschrieben steht.
Er erzählt, dass es sehr optimistisch sei, hier einfach so vorbeizukommen, ohne sich vorher angemeldet zu haben und ich wirklich Glück hätte, dass er gerade vor Ort sei. Nach einem kurzen Pläuschen stecke ich 10 Euro in die Vereinskasse und bekomme von dem älteren Herrn eine kurze Führung durch den alten Lokschuppen. Er erklärt mir, wie ich mich am besten durch das Gebäude bewege und was ich mir draußen noch alles anschauen darf. Stolz zeigt er mir die große Dampflok. Ich stehe staunend davor. So etwas sieht man wirklich nicht jeden Tag.
Nun bin ich allein und beginne mich überall umzusehen. Überall sind wunderschöne Details zu entdecken. Die Fülle an Loks, Waggons, alten Werkzeugen und des Lokschuppens machen es mir nicht gerade einfach. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Der Auslöser meiner Kamera wird in den nächsten Stunden keine Ruhe mehr haben.
Irgendwann ruft mich der ältere Herr zu sich. Er bittet mich darum, ihm zu helfen, eine Batterie in eine der Loks zu heben. Er erzählt, dass er das früher problemlos alleine geschafft hätte, aber er nun auch sein Alter merken würde. Nun weiß ich auch, wie groß und wie schwer Batterien einer kleinen Lok sind. Sie wiegt mit Sicherheit rund 30kg. Zu zweit heben wir sie in die alte kleine Lok und ich schaue mich weiter um.
Es riecht nach altem Öl und an einigen Stellen tropft es von der Decke. Die großen Maschinen sorgen für eine stimmungsvolle Atmosphäre, als das Sonnenlicht in die teils sehr engen Gänge fällt. So nah wie hier, kommt man diesen ganzen Dingen selten. Ich komme sogar dazu, mir das Führerhaus der Dampflok einmal von innen anzusehen.
Nachdem ich mir in den Hallen erstmal einen groben Überblick verschafft habe, möchte ich mir noch das Außengelände ansehen. Dort gibt es eine große Drehscheibe, die die einzelnen Stellplätze des Lokschuppens mit den Gleisanlagen verbunden hat. Sie soll angeblich noch voll funktionsfähig sein. Es ist beeindruckend, was dieser kleine Verein hier alles leistet.
Der Lokschuppen wirkt imposant und auch die angrenzenden Gebäude bieten tolle Motive. Neben mir sind noch aktive Gleise und so rauschen, während ich dort fotografiere, einige Regionalbahnen an mir vorbei. Kaum zu glauben, dass dieses wunderschöne Gebäude fast in Vergessenheit geraten wäre.
Die Historie
Das Bahnbetriebswerk Gelsenkirchen-Bismarck wurde zwischen 1924 und 1926 zusammen mit einer angeschlossenen Ausbesserungswerkstatt in Backsteinbauweise errichtet. Es diente als Ersatz für den zu klein gewordenen Ringlokschuppen der BME (Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft) aus dem Jahr 1876.
Die Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft gehörte mit der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft und der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft zu den drei großen privaten Eisenbahnunternehmen, die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem das Rheinland, das Ruhrgebiet und große Teile Westfalens durch die Eisenbahn erschlossen hatten.
Bekannt wurde Gelsenkirchen-Bismarck als Auslauf-Betriebswerk für schwere Dampflokomotiven der Baureihe 44, die bis zum Ende des Dampfbetriebs, mit kohlegefeuerten Lokomotiven bei der Deutschen Bundesbahn im Einsatz waren. Den letzten planmäßigen Güterzug bespannte die Lok 044 508-0. Auch waren hier die letzten Exemplare der Baureihe V 2001 untergebracht und bis zum 30. Juni 1988 ausgemustert.
Am 1. Januar 1982 wurde das Bahnbetriebswerk Gelsenkirchen-Bismarck als eigenständige Dienststelle aufgelöst und an das Bahnbetriebswerk Oberhausen-Osterfeld Süd angegliedert. Bis zum Jahr 1988 wurden hier dann nur noch Werkstattarbeiten durchgeführt.
Das Bahnbetriebswerk behielt seinen Bekanntheitsgrad auch durch die betriebsfähige Aufarbeitung der Dampflok 41 360, welche noch heute auf Sonderfahrten zu bewundern ist. Gegen Ende der 1970er Jahre gründete sich eine Gruppe, die sich um den Erhalt und Betrieb von historischen Lokomotiven und Wagen kümmern wollte. Deshalb wurden die Loks 41 241, 41 360, 44 508, V160 003 und V200 116 in Gelsenkirchen-Bismarck untergebracht. Zwischenzeitlich waren hier sogar noch weitere Gastlokomotiven des DB-Museums stationiert.
Anfang der 1990er Jahre mussten die Anlagen dann allerdings geräumt werden und die BSW-Gruppe zog ins ehemalige Betriebswagenwerk Oberhausen-Osterfeld Süd. Im November 1991 wurden die letzten Fahrzeuge und Maschinen abgefahren und das Bahnbetriebswerk vorerst geschlossen. Der Abriss durch die Bundesbahn wurde nur deshalb verhindert, weil das alte Bahnbetriebswerk unter Denkmalschutz gestellt wurde.
Mittlerweile ist dort der Verein Freunde des Bahnbetriebswerks Bismarck Förderverein e. V. Gelsenkirchen eingezogen und kümmert sich liebevoll um die noch erhaltenen Züge und Waggons. Die Dächer des Ringlokschuppens, sowie der anderen Hallen und auch das Mauerwerk mussten abgedichtet und der Vandalismus und die daraus entstandenen Schäden beseitigt werden. Auch die angeschlossenen Gleisanlagen und die große Drehscheibe mussten ersteinmal wieder von Unkraut und Büschen befreit werden. Sämtliche dieser Arbeiten musste der Verein in Eigenregie durchführen, was zu großen finanziellen Aufwendungen führte.
Allein der Arbeit des Vereins ist es zu verdanken, dass das Bahnbetriebswerk Gelsenkirchen-Bismarck noch heute für die Nachwelt erhalten geblieben ist und damit große Zeit der Eisenbahn im Ruhrgebiet nachvollziehbar macht. Ende 2001 übernahm der Kommunalverband Ruhrgebiet die Sicherungsarbeiten im Rahmen seiner Eigentümerpflichten.
Nun gilt es, das einst verlassene Bahnbetriebswerk in Gelsenkirchen wieder mit Leben zu füllen. Dafür hat der Verein viele spannende Projekte entwickelt. Geplant ist der Ausbau zum Besucherbahnwerk und als Haupt- und Großwerkstatt für Touristik-Eisenbahnen des Ruhrgebiets mit Ausstellung von Schienenfahrzeugen aus dem DB-Museum Nürnberg.
Ein weiteres Hauptthema ist die Erhaltung und Pflege von Industrieloks aus der Region. Ein Grundstock sind die im Besitz befindlichen Lokomotiven und Fahrzeuge. Das Gelände des Betriebswerks bietet vielfältige Möglichkeiten, nicht nur die aufwendige Erhaltung und Versorgung der Lokomotiven darzustellen, sondern auch die vielfältigen Arbeiten des Bahnbetriebs. Auch Kulturveranstaltungen, Gastronomie, Präsentationen, Open-Air-Feste in einem einzigartigem Ambiente bieten sich hier an.
Kurze Fakten
Legaler Lost Place
Baujahr:
1924
Verlassen seit:
1990
Schwierigkeitsgrad: