NVA Treib- und Schmierstofflager Niederlehme
Wir fahren eine Straße entlang, die irgendwann zu einem Waldweg wird. Links und rechts von uns stehen Bäume, Sträucher streifen unseren Wagen. Wir sind uns nicht mehr sicher, ob wir hier überhaupt richtig sind. Irgendwann entdecken wir eine einen noch kleineren Weg, der von der Straße abzweigt. Den Wagen stellen wir ab, hier kommen wir nur zu Fuß weiter.
Nach ein paar hundert Metern kommen wir an eine Schranke. Warnschilder gibt es hier nicht. Wir klettern darüber und entdecken die ersten Baracken. Die Wände sind teilweise eingerissen und die Dächer eingefallen. In den Gebäuden tropft und stinkt es. Hier möchten wir uns nicht weiter umschauen.
Wir erreichen einen größeren Platz. Links von uns gehen steile Treppen zwei Hügel hinauf. Rechts von uns weitere Baracken, von denen nicht mehr viel übrig geblieben ist. Wir entscheiden uns, die Treppen hochzusteigen. Hier und da fehlt ein Stufe. Oben angekommen sehen wir zugeschweißte Einstiegsluken. Eine letzte kleine Treppe führt zu irgendwelchen Anschlüssen. Es ist absolut faszinierend, was man mitten im Wald so alles finden kann. Immer wieder steigt uns der Geruch von Benzin und Öl in die Nase. Wir werden uns bewusst, dass die Hügel keine Hügel, sondern erdbedeckte Tanks sein müssen. Gerne würden wir einen Blick ins Innere werfen, aber dafür fehlt uns die nötige Ausrüstung.
Wir klettern wieder hinab und wollen den Rückweg antreten. Ich entdecke zwischen ein paar Bäumen irgendein Gebäude. Das möchten wir uns noch genauer ansehen. Ein kleiner Trampelpfad führt uns dorthin. Kurz vor dem Gebäude laufe ich beinahe in einen auf Kopfhöhe gespannten Stacheldraht. Er ist mit Moos bewachsen und kaum zu erkennen. Hier ist noch eine kleine Siedlung. Dort finden wir ein großes Pumpenhaus mit einer Einfahrt in den Keller, ein paar Baracken, einen Pool und eine große Halle. Alle Gebäude sind komplett leer geräumt. Nachdem wir uns alles genau angeschaut haben, geht es zurück zum Auto.
Die Historie
Das Treib- und Schmierstofflager 44 der NVA basiert auf einem Teilbereich des ehemaligen nationalsozialistischen Rüstungsbetriebes Paraxolwerk Niederlehme, welches als Werk W der Paraxol GmbH von 1940-1945 Pentaerythrit produzierte. Pentaerythrit wird für die Herstellung des Explosivstoffes Nitropenta benötigt.
Das Areal befindet sich ca. 1 km südlich vom Hauptwerk und diente als Lager für Methanol. Methanol war der Ausgangsstoff für die Herstellung von Formaldehyd, das zusammen mit Acetaldehyd zu Pentaerythrit wurde. Das Methanol wurde in drei großen unterirdischen Tanks gelagert.
Von 1945-1950 wurden mehrere Hallen des Werkes, sowie alle Maschinen und Ausrüstungen durch die Roten Armee demontiert. Einige Gebäude wurden gesprengt. Die Tanks blieben bestehen. Nach der Enteignung 1948 ging das komplette Werk zunächst in das Eigentum der Gemeinde Niederlehme über, die dann Teile des noch verbliebenen Inventars verkaufte.
1951 übernahm die KVP (Kasernierte Volkspolizei) das Objekt. Die aus der KVP hervorgegangene NVA baute es ab 1956. Bis 1990 war es Standort verschiedener NVA-Nachrichteneinheiten, u.a. des Nachrichtenregiments 2. Das einstige Methanol-Lager wurde ab 1963 als Treib- und Schmierstofflager 44 (TSL-44) der LSK/LV (Luftstreitkräfte/Luftverteidigung) der NVA genutzt. Dazu wurden schrittweise Umbauten und Ergänzungen vorgenommen. So wurden bspw. ein Sicherstellungsbereich mit Unterkünften und neue Straßen gebaut.
In den 1970er Jahren wurde ein Doppeltank mit einem Fassungsvermögen von 7700 m³ errichtet. In allen Tanks wurde der Jet-Treibstoff Kerosin gelagert. Pipelines verbanden das Lager mit einer KfZ-Abfüllstation und einer Be-/Entlade-Station für Kesselwagen. Mit dem Ende der NVA wurde das Objekt an die Bundeswehr übergeben. Nach kurzer Zeit ging in es dann allerdings in das Vermögen des Bundes über. Damit endete die Nutzung als Treib- und Schmierstofflager.
Kurze Fakten
Verlassen seit:
1990
Zustand:
Ruine
Überwachung:
Keine
Vandalismus:
Erheblicher Vandalismus
Schwierigkeitsgrad: