Kamerakram
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Lavoir et Carbonisage de Dolhain

Die letzten Überreste der alten Wollfabrik liegen direkt vor mir, allerdings bin ich hier nicht allein. Ein PKW überholt mein am Straßenrand geparktes Auto und fährt durch ein geöffnetes Rolltor in eine große Halle direkt gegenüber der alten Wollfabrik. Ich bin skeptisch, ob ich diesen Ort nun besuchen sollte, schließlich scheint gegenüber noch gearbeitet zu werden.


Ich warte einen Moment ab und nehme meinen Mut zusammen. Am hinteren Ende der Wollfabrik ist eine Tür geöffnet und ich husche hinein. Nach mit die Sinnflut denke ich, als ich die ersten Räume im Erdgeschoss betrete. Das, was nun vor mir liegt scheint einmal die Verwaltung gewesen zu sein. Umgekippte Aktenschränke, zertrümmerte Schreibtische und jede Menge Papier liegen hier herum. Der Fußboden ist vor lauter Akten kaum noch zu erkennen.


Über eine kleine versteckte Treppe gelange ich in die oberen Stockwerke. Hier ist große Vorsicht geboten, denn überall sind große Löcher im sonst noch sehr massiven Betonboden. Ein falscher Schritt und ich bin direkt wieder im Erdgeschoss. Die alten Fabrikhallen sind leider schon komplett ausgeräumt worden. An einigen Stellen lassen sich noch Vermessungspunkte erkennen. Scheinbar wurde hier bereits entweder ein Abriss oder eine Sanierung vorbereitet.


Es sieht allerdings nicht so aus, als wäre das in den vergangenen Monaten geschehen. Hier war schon länger niemand mehr - Vielleicht wurden die Pläne wieder verworfen. Die großen Hallen sind zwar leer, bieten aber immer noch einige spannende Motive. Die großen Deckenlichter lassen ausreichend viel Tageslicht hinein, um hier fotografieren zu können. 


Nachdem ich die anderen Stockwerke, die sich alle sehr stark ähneln durchstreift habe, möchte ich mir noch den Hinterhof und die dort angrenzenden Gebäude anschauen. Bereits nach wenigen Schritten höre ich ein leises Piepsen und ich weiß nicht, woher es kommt. Es könnte eine Alarmanlage sein, die irgendwo angesprungen ist. Ich möchte nichts riskieren und sehe zu, dass ich schleunigst zurück zu meinem Auto komme. 


Die Historie

Das Lavoir et Carbonisage de Dolhain, gelegen entlang des Flusses Vesdre, ist ein Ort, der eng mit der Geschichte der Textilindustrie in Belgien verbunden ist. Das Wasser der Vesdre, das aus dem hohen Venn entspringt, war sauer und kalkarm, was es ideal für die Bedürfnisse der aufstrebenden Textilindustrie machte.


Diese Industrie hatte sich seit dem 17. Jahrhundert im Tal der Vesdre angesiedelt. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts blühte das Tal als Zentrum der belgischen Textilindustrie auf, in dem eine Fabrik die andere ablöste und den Menschen Wohlstand brachte. Diese glorreichen Zeiten gehören längst der Vergangenheit an, und heute sind nur noch wenige Überreste des einstigen Wirtschaftsmotors übrig, von denen einige umfunktioniert oder verfallen sind.


In Dolhain erinnert die verbliebene Gebäudehülle an eine ehemalige Wollwäscherei. Nach ihrer Schließung wurden auf dem Gelände Lofts errichtet, aber der weitere Ausbau scheint ins Stocken geraten zu sein.


Die Wäscherei von Dolhain spielte eine entscheidende Rolle in den frühen Schritten der Wollverarbeitung, bevor das Material zu den eigentlichen Textilfabriken weitergeleitet wurde. Wolle, als Naturprodukt, bringt zahlreiche Verunreinigungen mit sich, darunter Pflanzenreste, Harn, Kot, Erde und Fett. Diese Verunreinigungen mussten zunächst entfernt werden. 


Dabei war es essentiell, dass je nach Verwendungszweck der Wolle nicht das gesamte Wollfett entfernt werden durfte. Eine mechanische Reinigung war problematisch, da sie dazu neigte, die Wolle zu verfilzen. Herkömmliche Seifen (Laugen) zerstörten ebenfalls die Wolle, da sie das darin enthaltene Eiweiß denaturierten. 


Als Lösung für dieses Problem wurde die Behandlung mit verdünnter Schwefelsäure entdeckt, die beim sogenannten Karbonisieren die pflanzliche Zellulose und andere organische Bestandteile auflöste. Die Wolle selbst erwies sich in dieser Hinsicht als recht unempfindlich. Nach dem Karbonisierungsprozess und anschließender Erhitzung konnten die unerwünschten Bestandteile ausgeklopft oder ausgewaschen werden.


Im Jahr 1983 fusionierte das Unternehmen mit seinem größten Konkurrenten, dem Werk 'Belgium Solvent' in Verviers. Später wurde das neue Unternehmen in Traitex umbenannt, ein Unternehmen, das bis heute in der Branche der Wollwäsche tätig ist. Die Fabrik in Dolhain wurde 1994 geschlossen, und die Produktion wurde in das Werk in Verviers verlagert. Schließlich begann im Jahr 2005 ein Plan, das Gelände für Wohnzwecke umzubauen. Glücklicherweise konnte die ursprüngliche Fassade erhalten bleiben.


Das Lavoir et Carbonisage de Dolhain ist somit ein stummer Zeuge einer vergangenen Ära der Textilindustrie, die einst das Tal der Vesdre geprägt hat und heute in den Ruinen und veränderten Strukturen dieses Ortes weiterlebt.


Kurze Fakten

Kategorie:  


Industrie

Verlassen seit:  


1994

Zustand:  


Entkernt

Überwachung:  


Keine

Vandalismus:  


Geringer Vandalismus

Schwierigkeitsgrad:  


Mittelmäßig



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